UNSER MOTTO : Alman Türk Dostluğu - Deutsch Türkische Freundschaft 

DOKUMENTATION

           Kieler Jugendbegegnung 1995

Vor drei Jahren erregte das Kieler Begegnungsprojekt zwischen türkischen und gewaltbereiten deutschen Jugendlichen aus Rostock und Hoyerswerda bundesweit Aufsehen. Jetzt gibt es ein neues ebenso ungewöhnliches Projekt. Diesmal kommen alle beteiligten Jugendlichen aus Kiel. Unter dem Motto "Grenzen überschreiten" sollen deutsche und ausländische Jugendliche aus verscheidenen Stadtteilen Kiels Vorurteile und Ängste überwinden und einen friedlichen Umgang miteinander praktizieren. Nach mehr als einjähriger Findungs- und Planungsphase fand das Kieler Projekt zur Jugendbegegnung “Grenzen überschreiten” von April bis November 1995 statt.

1. Geschichte
Wie es zu dem Projekt kam
Ausgangspunkt war die Erfahrung unterschiedlicher Formen von Gewalt, der wir seit 1991 direkt oder indirekt ausgesetzt waren: Im ehemaligen Jugoslawien führten Menschen einen erbitterten Krieg gegeneinander, die bis dahin Verwandte, Nachbarn oder Arbeitskollegen waren; gleichzeitig starben in Deutschland Ausländer durch neonazistische Anschläge; und die Strukturen von Gewalt im deutschen Alltag wie gegenseitige Unterdrückung, Ausgrenzung und Erpressung, an die wir uns längst gewöhnt hatten, stellten sich uns jetzt anders dar: als Nährboden und Wegbereiter der Eskalation.
Diese unterschiedlichen Formen von Gewalt laufen in einer Beobachtung zusammen: Wer seinen Nachbarn oder seine Nachbarin nicht kennt und nicht grundsätzlich gelernt hat, andere Menschen in ihrem Lebensstil zu akzeptieren, wird für die Sicherung eines friedichen Zusammenlebens in Zukunft nichts ausrichten können und wollen.
Das Jugendprojekt “Grenzen überschreiten” ist von den Veranstaltern aus der Einsicht heraus ins Leben gerufen worden, daß Gewalt entsteht, bevor sie ausbricht. Darum muß gewaltförderndes Potential im Vorfeld abgebaut werden.
Diese gewaltpräventive Maßnahme hatte jedoch zwei konkrete Vorläufer, die als direkte Reaktion auf den Schock entstanden waren, unter dem wir Anfang der 90er Jahre standen:
- ein Begegnungsprojekt zwischen türkischen Jugendlichen aus Kiel und gewaltbereiten deutschen Jugendlichen aus Rostock und Hoyerswerda, das 1993 vom Progressiven Türkischen Arbeitnehmerverein in Kiel e.V. durchgeführt wurde; das Projekt ist gut dokumentiert und erregte bundesweit Aufsehen;
- der “Kieler Friedensweg”, den Muslime und Christen im Juni 1993 gemeinsam veranstaltet haben; aus der großen Demonstration entwickelten sich zwei Arbeitsgruppen: eine nannte sich weiterhin “Kieler Friedensweg” und betrieb den christlich-muslimischen Dialog. Die Gruppe “Kultur und Politik” beschäftigte sich dagegen mit der Situation der Ausländerinnen und Ausländer in Kiel und verstand sich als Begegnungsplattform. An den regelmäßigen Arbeitstreffen im Deutsch-Türkischen Volkshaus nahmen neben den beiden türkischen Arbeitnehmervereinen, die die Trägerschaft für das Volkshaus in Kiel-Gaarden innehatten, Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen in Kiel, des Ausländerreferats der Stadt Kiel und anderer interkulturell und sozial engagierter Einrichtungen und Vereine teil.
Als sich die Arbeitsgruppe mit der Situation Jugendlicher in Kiel befaßte, folgten viele Leute der Einladung, vor allem hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der offenen Jugendarbeit von Kirche, Stadt, Arbeiterwohlfahrt und anderen Vereinen. Das Ergebnis der Analyse der aktuellen Jugendarbeit war ernüchternd.
So entstand der Wunsch, über die Vernetzung zur Begegnung zu kommen. Mit anderen Worten: nicht nur Informationen austauschen und Probleme besprechen, sondern auch gemeinsam handeln. Das Kieler Projekt zur Jugendbegegnung "Grenzen überschreiten" war geboren. 

2. Analyse

Desintegrierte Gesellschaft, desintegrierte Jugend...
Den in Deutschland lebenden Türken wird immer wieder vorgeworfen, daß sie sich der “Integration” widersetzten. Tatsächlich leben wir aber in einer desintegrierten Gesellschaft. Es gibt allerdings erheblich entscheidendere Grenzen als die Volkszugehörigkeit, die das Zusammenleben erschweren.

Bildungsgrenzen:
Wo begegnen, verstehen und akzeptieren sich z.B. Hauptschüler und Gymnasiasten? Begegnung wird vermieden, anstatt sie zu fördern.

Soziale Grenzen:
Arbeitsmarkt-, Wohnungsbau- und Steuerpolitik haben dazu beigetragen, daß sich ganze Stadtteile und Stadtrandgebiete sozial entmischen:
hier wohnen Reiche, dort der gesicherte Mittelstand und woanders Arme. Jugendliche in ihrer jeweiligen Lebenswelt verstehen kaum noch, wie Andere leben. Vorurteile, Neid, Haß und Gewalttätigkeit unter Jugendlichen aus verschiedenen Stadtteilen sind die Folge.

Kulturelle Grenzen:
Kultur hat integrative Kraft. Die spätere Reise in die Türkei hat es erwiesen: Musik und Tanz waren für die Jugendlichen das verbindende Medium. Allerdings dient Kultur in ihrer unterschiedlichen Ausprägung auch der Abgrenzung und der Stabilisierung der eigenen Peer-Group, da sie zur Identifizierung einlädt.

Religiöse Grenzen:
Schulen, deren Schüler unterschiedlichen Religionen angehören, vermeiden oft religiöse Themen oder meiden religiöse Lebensäußerungen wie Einschulungs- oder Reformationsgottesdienste. Jugendliche, die einer Religion angehören, können sich ihrer eigenen Identität nicht vergewissern und erfahren wenig über die jeweils andere Religion.

Sprachgrenzen:
Sprache und unterschiedliche Sprachfähigkeit schaffen Grenzen. Jugendliche, die nicht von Geburt an Deutsch sprechen, lernen den Umgang mit Sprache nicht hinreichend, weil sie ihre Muttersprache nicht richtig lernen.

3. Planung
Phasenverlauf
Anders als bei dem vorangegangenen Skinhead-Projekt sollte "Grenzen überschreiten" nicht eine spektakuläre Einzelaktion bleiben, sondern die Jugendlichen über einen längeren Zeitraum einbeziehen.
Während der Planung wurde bald deutlich, daß wir zwei Pole brauchten, um unsere Ziele zu erreichen: Lust und Frust. Die Jugendlichen sollten Lust zum Mitmachen bekommen und Spaß haben. Wir wollten ihnen gewisse Herausforderungen aber nicht ersparen.
Da uns deutlich war, daß eine 10-tägige Reise in die Türkei nicht ausreicht, um Voreinstellungen zu verändern, haben wir das Projekt in 5 Phasen geplant. 

a) Kennlernphase:
Jugendliche werden über ihre Treffs eingeladen. Infoveranstaltungen vermitteln einen Eindruck, was sie mit dem Projekt zur Jugendbegegnung erwartet. 

b) Vorbereitungsphase:
Ein Wochenendseminar dient dem Kennenlernen der Jugendlichen aus ganz Kiel und der Vorbereitung und Koordination der Stadtteil-Treffen.

c) Begegnungsphase:

Vier Stadtteil-Treffen werden von Jugendlichen aus dem Stadtteil vorbereitet. Dann laden sie andere Jugendliche als Gäste ein. Die Stadtteil-Treffen haben unterschiedlichen Charakter: Information, Diskussion, Stadtteil-Rallye, Kulturvorführung, Tanz und Musik, Turnier, Strandparty... Der Stadtteilbezug soll gewahrt bleiben. Beziehungen zwischen Türken und Deutschen können eine Rolle spielen.

d) Jugendbegegnung Türkei:

Für die Türkeitour in den Herbstferien 1995 ist eine Begegnung mit Türkischen Pfadfindern geplant. Gemeinsame Unternehmungen, Gespräche und Feste sollen die Verbindung herstellen.
Neben landeskundlichen Exkursionen sind auch Gesprächsrunden und informative Gespräche bei Ministerien, Stadtverwaltungen, Moscheen und Kirchen geplant.

e) Nachbereitung:

Die Form der Nachbereitung ist in der Planungsphase noch offen: ein Nachtreffen soll in jedem Fall stattfinden, evtl. auch ein Wochenendseminar. Die Fortsetzung des Projektes wird davon abhängig gemacht, wie die Jugendbegegnung verläuft.

4. Ziele
Unter den Wolken...
Über den Wolken schweben viele Leute gern - in die Karibik fliegen oder günstige Urlaubsziele in der Türkei ansteuern. Zum Abbau feindlicher Gesinnung gegenüber Menschen aus anderen Kulturen trägt dieser Tourismus nicht bei.
Unsere Ziele bewegen sich deutlich unter den Wolken: ”Gewalt verhindern,
bevor sie ausgeübt wird”, hieß unser Motto.

Als Wege zur Gewaltprävention strebten wir an:

- gegenseitiges Kennenlernen
- Gastfreundschaft erfahren und ausüben
- die Welt des Anderen erforschen
- die eigene Lebenswelt darstellen
- Unterschiede und Gemeinsamkeiten erfahren mit Blick auf:
+ soziale Sicherung und Konsummöglichkeiten
+ Bildung
+ Kultur
+ Staatsangehörigkeit
+ Sprache
+ Musik
+ Religion
- eigene Standpunkte kritisch klären und sichern
- Standpunkte anderer kritisch verstehen und akzeptieren
- gemeinsam feiern, essen und tanzen 

5. Finanzierung

Zahlenspiele
Die ersten Reaktionen auf das Projekt klangen interessiert bis begeistert; so erwarteten wir, daß viele Institutionen an dem Projekt teilnehmen werden.
Es war vorgesehen, daß die Eigenbeiträge für die Jugendlichen möglichst niedrig gehalten werden, um einen möglichst breiten Kreis ansprechen zu können. Es galt daher, Fördergelder einzuwerben und Sponsoren zu finden - in Zeiten allgemeiner Mittelkürzung ein nicht immer einfaches Unterfangen.
Durch Zuschüsse
des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein,
des Jugendpfarramtes Kiel,
des Jugendamtes der Landeshauptstadt Kiel,
des Jugendamtes des Kreises Plön,
der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen (ULR),
der Nordwest Lotto Schleswig-Holstein,
der Provinzial Leben,
der Sparkasse Kiel,
des Diakonischen Werkes Kiel
und der St.Markus-Gemeinde Kiel
konnte das Projekt schließlich durchgeführt werden.

6. Durchführung
Heiße Phase
Erste Mitarbeiterbesprechungen, Pressearbeit, Planung und Organisation begannen schon Mitte 1994. Anfang des Jahres 1995 wurden die Träger offener Jugendarbeit in Kiel zur Mitarbeit aufgefordert. Im April kamen Jugendliche aus ganz Kiel zu einem ersten Informationstreffen.
Den Auftakt bildete das Seminar vom 5. bis 7. Mai in der Scheune des Ferienhofes Lamp bei Wendtorf. Die 37 Teilnehmer/innen kamen aus Jugendtreffs des Jugenamtes Kiel, des Ev. Jugendpfarramtes, des Vereins Christlicher Pfadfinder, des Progressiven Türkischen Arbeitnehmervereins (PTAV) und Ev. Kirchengemeinden.
Kennenlernspiele, Austausch und gemeisame Aktionen boten hier einen guten Rahmen für die Vorbereitung der geplanten Stadtteiltreffen.
Das erste Stadtteiltreffen fand am 1. Juni in Kiel-Wik statt und wurde von Jugendlichen und Mitarbeitern des Jugendtreffs Nord organisiert. Eine gemeinsame Schleusenbesichtigung und eine Rallye zu weiteren Freizeitstätten mit anschließender Disco standen auf dem Programm.
Die nächste Aktion wurde am 11. August von den Christlichen Pfadfindern im Jugendtreff Buschblick in Kiel-Friedrichsort durchgeführt. Neben Lifemusik im Treff bildete die gemeinsame Strandpartie mit Pfadfinderzelt, Badefreuden und Lagerfeuer am Falkensteiner Strand einen gelungenen Rahmen.
Zu einem Spielenachmittag mit Billard-, Tischfußball-, Dart- und Skattunier lud dann am 2. September 1995 der Evangelische Jugendtreff "Kiste" in Kiel-Mettenhof ein. Am Abend war dann gemeinsames Grillen auf der Terasse angesagt.
Das letzte und größte Stadtteiltreffen fand am 22. September in Kiel - Gaarden statt. Nach der Eröffnung mit Rockmusik in der St. Markus-Gemeinde ging es zur Fridjof-Nanssen-Schule, wo über multikulturellen Schulalltag berichtet wurde. Auf dem Vinetaplatz gab es dann türkische Folklore und türkischen Imbiß sowie Bürgerinformationen zum Projekt. Eine Diashow im Kindertreff im Werftpark informierte über die Türkei. Den Abschluß bildete eine Diskoveranstaltung mit Breakdanceeinlage im Jugendtreff Ellerbek.

7. Türkeitour 1995
Reise als Begegnung
"Reisen bildet", sagte schon Alexander von Humboldt vor ca. 200 Jahren. Dies gilt nach wie vor, denn die unmittelbaren und vielschichtigen Erfahrungen, die mit der direkten Konfrontation mit einer unbekannten Welt verbunden sind, können durch keine theoretische Wissensvermittlung ersetzt werden.

Die Kieler Teilnehmer der zehntägigen Begegnungsreise nach Mersin im Südosten der Türkei, mußten sich in einer fremden Kultur zurechtfinden, ohne Kenntnis der Landessprache verständigen und andere Umgangsformen und Lebensgewohnheiten akzeptieren lernen.

Diese ständigen Alltagserfahrungen sind neben dem festgelegten Begegnungs- und Informationsprogramm der Reise für die Jugendlichen immer ein Zugewinn an Lebenserfahrung und dienen somit im besten Sinn des Wortes einer Erweiterung des Horizonts.

Offizielle Begegnungen:

- Informationsgespräch beim Dachverband der Türkischen Pfadfinder in Ankara
- Gemeinsame Exkursionen mit türkischen Pfadfindern in die Umgebung von Silifke
- Besuch eines Kulturfestes der Universität Mersin in Uzuncaburc
- Besuch einer türkischen Dorfschule in Silifke-Akkum
- Gespräch mit der stellvertretenden Direktorin des Jugend- und Sportamtes der Stadt Mersin
- Besichtigung von Kirchen und Moscheen in Mersin

- Informationsgespräch bei der Stadtverwaltung in Mersin
- Gesprächsnachmittag mit türkischen Jugendlichen über Deutschland und die Türkei
- Gemeinsames Abschiedsfest
- Besuch einer türkischen Gastfamilie. 

8. Reisebericht Türkeitour 1995

Musik verbindet
Gerade war der Bus in Istanbul gestartet, da ertönte türkische Musik aus den Lautsprechern. Im deutschen Bus hatten die Jugendlichen Techno gehört. Nicht so in der Türkei: Musik, Kultur und Verhaltensregeln des Gastlandes wurden bald akzeptiert und angenommen.
34 Jugendliche aus ganz Kiel hatten sich zusammengefunden, die aus Deutschland, aus dem Kosovo und Rumänien stammten, mehr als ein Drittel waren deutsche Türken. Mit Übersetzungen und Auskünften bauten sie für die anderen eine Brücke in die neue Welt. Neben den türkischen Betreuern Zeliha Secer (Jugendtreff Ellerbek) und Sahabettin Atli (Progressiver Türkischer Arbeitnehmerverein) waren die Deutschen Susanne Gosse (Jugendtreff Kiste Mettenhof) und Tilman Lautzas (Pastor St.Markus und Beauftragter für interkulturelle Arbeit im Kirchenkreis) dabei.
Erste Station war Ankara. Nach dem Frühstück besuchten Jugendliche die Förderation der türkischen Pfadfinder im Ministerium. Dabei wurden Kontakte zwischen Pfadfindern in Kiel und der Türkei verabredet.
Auch später fanden noch eine Reihe offizieller Besuche statt. In einer Dorfschule informierten sich die Jugendlichen über das Schulsystem, fragten nach Lehrermangel und Ausbildungschancen vor allem der Mädchen.In Mersin an der Südküste des Mittelmeeres erkundigten sie sich nach Jugendschutzgesetz und Kinderarbeit, Jugendhilfe und Treffs. Die Stadt wächst gewaltig, und so reicht das Geld höchstens zum Bau von Sportplätzen. Trotz fehlender Einrichtungen kommt es nicht zu Gewalttaten, weil soziale Bindungen mit gegenseitiger Hilfe und Kontrolle bisher erhalten blieben. Davon lebt das Sozialsystem der Türkei.
Der Zielort Kiz Kalesi, 70 km entfernt von Mersin, empfing uns freundlich: 30 Grad Luft- und 23 Grad Wassertemperatur, eine neue Pension und hervorragendes Essen, das eine Familie mit einigen Helfern für uns kochte. Die überwältigende Natur tat ihren Teil hinzu: Im Norden die kahlen Ausläufer des Taurusgebirges, im Süden das klare Meer, und dazwischen fruchtbare Ebenen, wo aromatisches Gemüse und Baumwolle angebaut werden.
Einige türkische Pfadfinder waren immer bei uns. Ohne ihre Sprach- und Ortskenntnis und ihr Wissen um Tricks und Kniffe wären die vielfältigen Ausflüge nicht zustande gekommen. Fischerboote brachten uns zu einer Wasserburgruine und zu einer Bucht, die Erstaunen auslöste: kalte Quellen am Meeresboden halten die Wassertemperatur ganzjährig bei 14 Grad. Die gleichen Wasservorräte speisen einen unterirdischen Strom in einer Tropfsteinhöhle. Wir besichtigten sie auf einer ganztägigen Wanderung und tranken ihr Wasser - aus dem Wasserhahn in der Pension.
Mit dem Bus und 70 Pfadfindern besuchten wir ein Kulturfest der Universität Mersin in der antiken römischen Kultstätte Olba/Diocaesarea. Während sich zeigte, wie tief die türkische Kultur in ihrer Geschichte verankert ist und wie vielfältig ländliche und städtische Lebensformen nebeneinander existieren, wurde deutlich, wie inhomogen die Gruppe der deutschen Jugendlichen eigentlich war: wer weder gerne in Nomadenzelten sitzt und zuschaut, wie auf offenem Feuer Fladenbrote gebacken werden, noch Interesse an alten Grabhöhlen und monumentalen Säulen oder einem klassischen Konzert in der Arena findet, verzieht sich lieber in den Bus und träumt vom Einkaufen in der Großstadt oder einer türkischen Hi-Tech-Disco.
Beides konnte Mersin bieten. Der Besuch einer Moschee, der katholischen und orthodoxen Kirchen verblaßte neben der Chance, die Handwerksviertel und Einkaufsstraßen zu genießen. Die neu gewonnenen Freunde aus der turbulenten Hafenstadt leisteten beste Hilfe, wenn es darum ging, gute Läden für Gold, Schmuck, Parfüm, Musik oder Markenjeans zu finden und gute Preise auszuhandeln. Abends durften wir einmal Gastgeber sein: beim Essen mit vier Gängen.
Der anschließende Disco-Besuch bot Überraschungen: Für die Jugendlichen, weil Licht und Sound auf dem Stand der Technik sind. Bei den Betreuern darüber, daß nicht internationale - also englischsprachige - sondern türkische Popmusik das eigentlich verbindende Medium wurde. Wo Sprachbarrieren und die Lautstärke der Musik eine Unterhaltung verhindern, funktioniert die interkulturelle Begegnung über Musik und Tanz. 

9. Video-Dokumentation

Filmreif
Aufgrund eines Zeitungsartikels wurden Mitarbeiter/innen der Arbeitsgemeinschaft Medienpädagogik e.V. Kiel auf das soeben gestartete Projekt "Grenzen überschreiten" aufmerksam und boten eine Zusammenarbeit an.
Die AG Medienpädagogik ist ein als gemeinnützig anerkannter Träger der Jugendbildungs- und Kulturarbeit. Der Verein betreibt seit 1984 eine Medienwerkstatt, führt medienpädagogische Seminare durch und befaßt sich seit einiger Zeit mit Audioproduktionen sowie der Herstellung von Dokumentar- und Lehrvideos.
Für das Projekt "Grenzen überschreiten" war ursprünglich eine umfassende Gesamtdokumentation geplant. Wegen der Fülle des Materials mußte jedoch die Thematik eingegrenzt werden. Die vorliegende Fassung zeigt Ausschnitte aus dem Projekt mit überwiegendem Schwerpunkt auf der Türkeitour. Der 53-min. Film ist ein chronologisches Videotagebuch, bei dem einerseits auf die Nähe zur Erlebniswelt der Teilnehmer/innen Wert gelegt wurde, andererseits werden Zusatzinformationen gezielt zu den jeweiligen Themen der Begegnungen aufbereitet.
Der Film ist geeignet für den Einsatz in der schulischen und außerschulischen Jugendbildung und als Einstiegsmedium für die pädagogische Arbeit im interkulturellen Bereich. Er bietet einen guten Ansatz, sich in ein solches Jugendbegegnungsprojekt einzuarbeiten und ggf. an einzelne Bereiche anzuknüpfen und inhaltlich zu vertiefen.


”Grenzen überschreiten”
- Die Türkeitour 1995 -
Der Film zum Kieler Jugend-begegnungsprojekt von Linda Janssen und Karl-Heinz Grote
53 min., BRD 1995/96
Eine Produktion der AG Medienpädagogik e.V. Kiel
Bezugsquelle:
AG Medienpädagogik e.V. Kiel
Tiroler Ring 283
24147 Kiel
Tel./Fax: 0431 - 781698 

10. Auswertung

Neuer Mut
Die Vorbereitung und Durchführung des Projektes hat viel Mühe und Arbeit gekostet. Fast alles wurde neben der regulären Arbeit oder ganz ehrenamtlich erledigt. Darum war bis zum Ende des Jahres 1995 noch nicht sicher, ob das Projekt eine Fortsetzung finden würde.

Inzwischen läuft das Projekt "Grenzen überschreiten '96" auf vollen Touren.
Einige Gründe dafür seien genannt:

- Das Abschlußtreffen mit fast allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und vielen Gästen bildete einen ausgelassenen und fröhlichen Abschluß. Rostocker Realschüler/-innen, die sich dabei als Gastgruppe informiert haben, sind in den Osterferien '96 zu einer Jugendbegegnung in die Türkei gereist.

- Eine Fragebogen-Aktion unter den Teilnehmer/-innen ergab große Zufriedenheit mit dem Projekt und die ausdrückliche Bereitschaft, türkische Pfadfinder/-innen als Gast zu Hause aufzunehmen. Da auch die Türkischen Jugendlichen gerne Deutschland besuchen wollten, wurden sie eingeladen. Die türkischen Gäste werden im August/September zu einem 3-wöchigem Aufenthalt erwartet.

- Auf politischer Ebene ist geplant, im Herbst einen Türkisch-Deutschen Fachausschuß zu gründen. Dann ist zu erwarten, daß die dringend notwendige Jugendbegegnung offiziell geregelt und gefördert wird. Auch dieses politische Signal macht uns Mut, das Projekt fortzuführen. 


  Auskunft bei: 

Sahabettin Atli (Dipl. Päd.) 
Deutsch Türkische Gesellschaft Kiel und Umgebung e.V. 
Heisterbusch 5 
24235 Stein 
Tel: 04343 / 9193 fax: 04343/498257 
Tagsüber: 0431 801370 
Mobil : 0171 / 48 288 57
Pastor Tilman Lautzas 
- Ausländerbeauftragter 
für den Ev. Kirchenkreis Kiel - 
Preetzer Straße 34 
24143 Kiel 
tel + fax 0431 / 7 52 26